. Spiegel online, 3.12.07: KOTAU VOR CHINA Deutsche Post verbannt Dalai Lama von Briefen Von Andreas Lorenz, Peking Die Beziehungen zu China sind nach Angela Merkels Dalai-Lama-Empfang auf einem Tiefpunkt. Die Wirtschaft verlangt besorgt einen neuen Kuschelkurs - die Post macht vor, wie's geht: Sie läßt das religiöse Oberhaupt der Tibeter nicht mehr als Motiv auf Wertmarken zu. Peking - Im Gegensatz zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scheut sich die Deutsche Post, mit dem Dalai Lama in Verbindung gebracht zu werden. Sie lehnte es jetzt ab, das religiöse Oberhaupt der Tibeter auf einem ihrer Produkte - dem "Plusbrief Exklusiv" - abzubilden. Eigentlich dürfen Kunden gegen Entgelt Geschäfts- und Werbebriefe mit einem selbst ewählten Bildmotiv in der Marke versehen. Doch als die deutsche Gruppe "International Campaign for Tibet" jüngst ihre Umschläge mit dem Friedensnobelpreisträger von 1989 schmücken wollte, trat die Post von dem Vertrag zurück. Die von den Tibet-Aktivisten gewählten Motive liefen "den Geschäftsinteressen der Deutschen Post und der mit ihr verbundenen Unternehmen zuwider" und seien zudem "geeignet, den Betriebsfrieden der Deutschen Post AG und ihrer verbundenen Unternehmen zu stören", argumentierte sie in einem Schreiben. Unterschrift: "Ihr Team Plusbrief der Deutschen Post AG". Die Postler fürchten offensichtlich um die guten Fernost-Geschäfte ihrer Tochter, dem Expressunternehmen DHL, das in China über 70.000 Kunden hat. Die Absage sei "inakzeptabel", erklärte dagegen der Geschäftsführer der "International Campaign für Tibet", Kai Müller. Sie zeige, "wie weit der politische Einfluss Chinas nach Deutschland reicht". Gegen einen anderen Kirchenführer hatten die Postler nichts einzuwenden: Papst Benedikt XVI. durfte auf einem Briefumschlag erscheinen. Beziehungen in der Krise Die deutsch-chinesischen Regierungsbeziehungen sind derzeit in der Krise, nachdem Peking sich über den Empfang des Dalai Lama im Kanzleramt im September empört hatte. Mehrere bilaterale Treffen auf hoher Ebene, darunter der Menschenrechtsdialog, wurden abgesetzt, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ausgeladen. Trotz der Verstimmungen will auch der Menschenrechtbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), den Dalai Lama im nächsten Jahr empfangen. Peking betrachtet Tibet als Bestandteil Chinas. Auch zwischen den USA und Peking kam es zu Verstimmungen, weil US-Präsident Bush das religiöse Oberhaupt der Tibeter ebenfalls getroffen hatte. Zuletzt hatte die deutsche Industrie an Merkel appelliert, für ein besseres Verhältnis zu sorgen. "Nach den Verstimmungen der letzten Wochen benötigen wir einen konstruktiven Dialog", hatte Jürgen Thumann, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), der "Financial Times Deutschland" erklärt. 2. Financial Times Deutschland, 4.12.07: Deutsche Post will wegen China keine Dalai Lama-Briefmarke herausgeben Die Deutsche Post will sich ihr China-Geschäft nicht trüben lassen und deswegen keine Briefmarken mit dem Konterfei des Dalai Lama herausgeben. Der Bonner Konzern hat eine Order für die Produktion von Porto-Marken mit dem Porträt des tibetischen Religionsführers nicht angenommen. Als international tätiges Unternehmen sei die Deutsche Post zu politischer Neutralität verpflichtet, sagte ein Post-Sprecher am Dienstag in Bonn. Vor diesem Hintergrund habe das Unternehmen den Auftrag abgelehnt. Die Deutsche Post ist mit ihrer Logistik-Tochter DHL stark in China engagiert. Die Nichtregierungsorganisation International Campaign for Tibet Deutschland hatte die Marken in Auftrag geben wollen. Die Organisation habe ein Angebot der Post für eines ihrer Produkte, den "Plusbrief Exklusiv", annehmen wollen, sagte Geschäftsführer Kai Müller. "Wir wollten mit der Marke und dem Dalai Lama keine besondere Aktion machen." Kunden können normalerweise die Gestaltung dieser Briefe selbst wählen. Das Konterfei des Friedensnobelpreisträgers von 1989 missfiel den Post-Managern aber. Wegen des Empfangs des Dalai Lama durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im September im Berliner Kanzleramt war es zu Irritationen im deutsch-chinesischen Verhältnis gekommen. Peking sieht Tibet als Teil Chinas und wendet sich strikt gegen jegliche Unabhängigkeits-Bestrebungen der Himalaya-Region. Der Dalai Lama sei unzweifelhaft eine "politische Person", sagte Post-Sprecher Uwe Bensien. Müller zitierte aus dem Absage-Schreiben der Post, in dem es geheißen habe, dass das gewählte Motiv "den Geschäftsinteressen der Deutschen Post und den mit ihr verbundenen Unternehmen" zuwiderlaufe und zudem geeignet sei, "den Betriebsfrieden der Deutschen Post AG und ihrer verbunden Unternehmen zu stören". 3. Hamburger Abendblatt, 5.12.07: Harmoniegedusel gegenüber Chinas Muskelspielen Ansichtssache Von Irene Jung Diesmal war der "Spiegel" dran. Vorige Woche widerrief das Doulun-Museum in Shanghai seine vor einem halben Jahr gegebene Zusage, eine Sammlung von "Spiegel"-Titelbildern zu zeigen. Grund: die derzeitige "Eiszeit" in den deutsch-chinesischen Beziehungen. Im Gegenzug sagte "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust eine ganze Veranstaltungsreihe in China ab: "Wir lassen uns von der chinesischen Zensur nicht vorschreiben, welche genehm sind und welche nicht." Offenbar ist Peking nicht nur sauer auf Angela Merkel, sondern auch über chinakritische Berichte in deutschen Medien. Zum Beispiel über chinesische Spionageviren in Bundescomputern. Die Eskalation wird von China ganz bewusst geschürt: Sie gehört zu einer "Politik der 1000 Nadelstiche", mit der die KP-Führung abwechselnd die Länder abstraft, die ihr auf die Füße treten. 2005 war es Japan mit einem chinakritischen Schulbuch, jetzt ist es Deutschland. Und zur Freude der Machthaber ließ sich sogar Ex-Kanzler Gerhard Schröder in diese Posse einspannen; er "bedauerte" in China, dass die "jüngsten Handlungen der Bundesregierung" die "Gefühle des chinesischen Volkes verletzt" hätten. Hat Schröder eine Ahnung von den Gefühlen des chinesischen Volkes? Oder nur von den Erwartungen der KP-Führung? Putzigerweise hieß das Symposium, an dem er teilnahm, "Chinas friedliche Entwicklung und eine harmonische Welt". Dieses süßliche Propagandabild eines harmoniebeseelten China gehört ebenso zur Fassade der chinesischen Außenpolitik wie das beleidigte Muskelspiel des roten Riesen. Beides sind reine Ablenkungsmanöver. In einem Dreivierteljahr beginnen die Olympischen Spiele in Peking - ohne dass die versprochene Verbesserung bei Menschenrechten und Informationsfreiheit bisher sichtbar wäre. Im Gegenteil. Nach Berichten von Organisationen wie Amnesty International, Reporter ohne Grenzen oder Human Rights Watch haben die Verfolgung und Verhaftungen von Kritikern oder Journalisten zugenommen. Nur drei Beispiele: Am 13. November wurde ein Autor in Guangzhou zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er über einen politischen Skandal geschrieben und Dorfbewohner gegen Bürokraten unterstützt hatte - in der Haft wurde er gefoltert. Eine Woche später wurde ein katholischer Untergrundpriester zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er eine Kirche geweiht hatte. Zuvor war ein Internet-Autor verhaftet worden, der auf Webseiten über Menschenrechtsverstöße berichtete und einen Appell an die Uno unterzeichnet hatte. Auf einer Pressekonferenz berichtete der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Edward McMillan-Scott, vor Kurzem über die Verfolgung mehrerer Menschenrechtsanwälte in China und über mehr als 3000 namentlich bekannte Mitglieder der Falun-Gong-Bewegung, die seit 1999 nach Folterungen gestorben sind. Der in China sehr bekannte Bürgerrechtler Hu Jia sagte der Konferenz per Telefon: "Die Menschen in China haben gehofft, dass die Olympischen Spiele eine Gelegenheit wären, zu anderen Ländern aufzuschließen." Stattdessen seien die Spiele "zu einem Deckmantel für Menschenrechtsverletzungen geworden". Der chinesische Bürgerrechtsanwalt Gao Zhinsheng, der mit offenen Briefen unter anderem an den Ministerpräsidenten Chinas und amerikanische Kongressabgeordnete sein Leben riskierte, schreibt: Das Regime verfolge mit den Olympischen Spielen zwei Ziele. Der eigenen Bevölkerung wolle es "beweisen, dass die Welt die Partei immer noch als eine legale Regierung anerkennt, trotz aller Tyrannei". Dem Ausland wolle es beweisen, "dass die Partei immer noch die Unterstützung der Bevölkerung genieße". IOC-Präsident Jacques Rogge vernachlässige seine Pflicht, gegenüber China "die ethischen Werte der Olympischen Idee zu verteidigen". Gao ist bereits in Gewahrsam des chinesischen Sicherheitsdienstes. Rogge und andere IOC-Funktionäre haben bisher Pekings Olympia-Großbaustellen bewundert, aber es geflissentlich vermieden, mehr Menschenrechte einzufordern. Man solle die Olympics "nicht zu sehr politisieren" und "mit Politik überfrachten", meinten sie. Ist Abwiegeln und Harmoniegedusel die einzige Antwort demokratischer Länder auf Chinas Muskelspiel? Hat nicht China den Zuschlag für die Spiele bekommen, weil es zumindest umfassende Pressefreiheit zusagte? Warum wurden diese Zusagen überhaupt verlangt - um dann wegzusehen? China möchte mit den Spielen sein internationales Image verbessern - aber nicht sein Verhalten ändern. Dieses durchsichtige Spiel stellt alle großmäuligen Vertreter westlicher "Werte" auf die Probe. Haben das IOC, deutsche Wirtschaftsverbände und unsere prominenten Sozialdemokraten dem eigentlich irgendetwas entgegenzusetzen?